Alleinerziehende mit behinderten Kindern sind großen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. So müssen sie den Verlust ihres Partners/ihrer Partnerin verarbeiten und beide Elternrollen vereinen. Erleben, ohne partnerschaftlichen Rückhalt, die gesellschaftliche Ausgrenzung und Stigmatisierung, die Eltern mit behinderten Kindern entgegenschlägt. Sie müssen die Lebensperspektive des Kindes ohne einen partnerschaftlichen Austausch planen und gestalten sowie die Bedürfnisse des behinderten Kindes und möglicher Geschwisterkinder miteinander vereinbaren.
Dies ist nur ein spotartiger Zusammenschnitt der Belastungsfaktoren, die wir im Rahmen einer Bestandsaufnahme der Lebenssituation Alleinerziehender mit behinderten Kindern in den Jahren 1995/96 herausarbeiteten.
Deutlich wurde damals auch, dass nicht die Behinderung des Kindes das Problem der Eltern ist. Viel stärker belastet fühlen sich die Alleinerziehenden durch die alleinige Verantwortung bei schwierigen Entscheidungen z.B. im medizinischen Bereich, durch finanzielle Sorgen, zeitaufwendige Behördenkontakte sowie durch die „Rund um die Uhr“- Betreuung. Über die Jahre fühlen sie sich ausgelaugt und als Mutter funktionalisiert.
Im folgenden beschreiben wir die Lebenssituation aus dem Blickwinkel der Mutter-Kind-Familie, da in unseren Projekten ausschließlich Frauen mitgewirkt haben.
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Ergebnis dieser Belastungsfaktoren ist ihr emotionaler Rückzug und damit verbunden eine weitere gesellschaftliche Isolation. Durch die rund-um-die-Uhr-Betreuung wird die Substanz, von der die Mutter zehrt, mit den Jahren immer geringer. Die Folgen sind physische Erkrankungen und eine Vielzahl psychosomatischer Störungen wie z.B. Schlafstörungen, Haarausfall, Herzrhythmusstörungen, Magen-Darm-Erkrankungen, Migräneanfallen etc. (VAMV Alleinerziehende Mütter und Väter mit behinderten Kindern, Januar 1997, S. 17 ff). Damit entstehen für die Frau weitere Hürden in der Bewältigung ihres Alltags.
Ein schlechter gesundheitlicher Zustand der Mutter bedeutet, dass die Förderung und Pflege des behinderten Kindes stark beeinträchtigt, unter Umständen sogar blockiert wird. Letzter Ausweg wird schließlich dann nur noch in der zeitweisen bzw. dauerhaften Unterbringung des Kindes außerhalb des Elternhauses gesehen.
In vielen Gesprächen mit betroffenen Müttern, die wir im Rahmen unserer Bestandsaufnahme durchführten, hat sich gezeigt, wie engagiert die Mütter für die Interessen ihrer Kinder kämpfen. Es wurde aber auch deutlich, wie zerbrechlich und „störanfällig“ dieses System langfristig ist.
Besonders in Phasen des Umbruchs wird ihnen der Mangel an bedarfsgerechten Hilfsangeboten, der fehlende Gesprächspartner sowie die Undurchsichtigkeit der institutionellen Stützsysteme deutlich.
Umbruchsituationen oder auch „Nahtstellen“ sind Übergänge von einer Lebensphase in eine andere. Prof. Adam: „Je komplexer und risikohafter sich die Lebensbedingungen gestalten, desto höher sind die Anforderungen, die in Übergangssituationen an den einzelnen gestellt werden“ (MAGS, Behinderte in NRW, S. 37). Sie fordern von den Betroffenen eine Neustrukturierung ihrer Lebensplanung und sind gleichzeitig von Unsicherheit, Angst und einem hohen Informationsbedarf gekennzeichnet.
Nahtstellen im Leben alleinerziehender Mütter, die unmittelbar auf die Entwicklung des Kindes Einfluss nehmen, entstehen z.B.:
Um ihre Kinder fördern und stützen zu können, müssen die Mütter gestützt werden. Im Rahmen des Modellprojektes „patinnenmodell für einelternfamilien mit behinderten kindern“ (peb) sollte ein verbessertes Hilfs- und Unterstützungsangebot für alleinerziehende Eltern einer stationären Unterbringung der Kinder entgegengewirkt werden. Nur gut informierte und in ihrer Entscheidungsfindung sichere Eltern können ihren Kindern den notwendigen verlässlichen Rahmen bieten, den sie für ihre weitere positive Entwicklung benötigen.
Seit Beendigung des Modellprojektes peb bearbeiten wir das Thema „Eltern mit behinderten Kindern“ im Rahmen unserer (begrenzten) personellen Ressourcen. Mitglieder profitieren von unserem Wissen, in dem wir für sie aktuelle Informationen in unserer Mitgliederzeitung kompakt veröffentlichen.